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[ Michael Bergweiler ] |
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Wer liebt es nicht? In Kohortenstärke rottet mensch sich mit den Lieben in WG-Küche zusammen, es werden ein bis zwei Rotweinportionen pro Kopf in ebendiesen geschüttet, Smalltalk und Feierabend geprobt, und dann - in allerbester ,,Outside''- Laune, genügend beschwippst und von GenossInnen beschützt dann doch ganz mutig (um vielleicht nun endlich einmal die hübsche Bedienung im Jazzlokal von Um-die-Ecke anzusprechen), geht's raus in die City. Doch meist fühlt mensch sich doch mittlerweile etwas zu alt, hat es ja auch eigentlich gar nicht mehr nötig, also doch nicht rein in den Jazzclub, entgegen jeglicher Vernunft und Sozialtheorie (die besagt, daß elitäre Isolation von kleinen Grüppchen zu ,,inzestuösem'' Partnerwechsel-alle-drei-Jahre führt, oder (wenn's ganz schlimm kommt und das Schlimme dann auch noch gaaanz lange so bleibt) sogar bis hin zu gemeinsamen Kegelabenden oder benachbarten, bedeutsch-landflaggtem Schrebergartenhäuschen im örtlichen Schrebergartenhäuschengehege.) Also nun doch nicht rein in den Jazzclub, sondern artig einsam-zölibatär ins arty Programmkino, da muß mensch nicht reden, nicht flirten, nicht die mangelhafte Sozialkompetenz strapazieren. Das kennen wir alle? Langweiliger und trauriger geht es nicht mehr? Abwarten! Reduzieren |
wir die Gruppenstärke auf exakt: eine Person. Es ist schönstes Sommerwetter, kein Schwein zur Hand, um als Begleitung für den Kinonachmittag zu fungieren, denn wer will denn jetzt schon da rein. Nachmittag? Richtig gehört! Der Film ,,Better than chocolatei'' läuft nur noch abends um sechs Uhr. Schönstes Sommerwetter, keine Grillfete, alleine. Na? DAS ist depremierend! Für kritische Stimmen, die ich schon jetzt bei Satz des Textes glaube schallen zu hören, habe ich ferner eine gute Ausrede, ein Alibi, zur Hand. Es ist die letzte, allerletzte Vorstellung dieses Filmes hier in Eichbaum-City. Aber holla! Wer hätte das gedacht! Obwohl meine wüstesten Befürchtungen, ich würde in Filmlänge alle nur denkbaren Schwuchtel-, Dyke-, Tunten-Rollen- klischees geboten bekommen, zutrafen, war's doch ein ,,netter''; lediglich oberflächlich betrachtet: ein banaler Streifen. Doch die Klokampf- als auch die Buttplug-Szene waren doch auf eine medial-subtile Art und Weise ... plump, gewiß, doch auch hübsch liebenswert und schmunzelfest. Und wer unerquickliche, haarsträubende Plots gütig übersehen kann, findet auch hier Sporen (gleichwohl angestrengt herbei-interpretiert), die zur Aufzucht eines Essays dieses Formates dienlich sein könnten. |
Spore eins ist nun also die Keif- und Diskriminierszene in der Frauentoilette einer kalifornischen Gay-Disco. Zum Thema ,,Grenzen'', bzw. Überschreitung die- ser, wird hier einiges geboten; des Verfassers Auge glänzt gar teichig feucht. Die Transsexuelle Christine* geht vom Tanzparkett weg in die Frisch-Mach-Räumlichkeiten, was jedoch von einer nur kurz danach hereintretenden Dyke (die, was Outfit und Auftreten betrifft, wohl eher dem klassischen männlichen Rollenbild entspricht) nicht gerne gesehen wird. Denn trotz allen Lebensstils und auch - gefühls Christines Frau zu sein, was sie mit dementsprechenden Rollenattributen einer solchen - im klassischen, gesellschaftlich-akzeptierten Sinne - untermalt, d. h. lange Haare, Make-up und Schmuck, als auch dazugehörig-stereotyper Gesten, wird sie aufgrund ihres Sexus (also: ihres körperlichen, angeborenen Geschlechtes), also dem eines Mannes, für unerwünscht und fehl am Platze, d.h. in der Frauentoilette, befunden. Krakeelen von Seiten der Späteingetretenen und Argumentieren von Christine, sehr wohl eine Frau nun eben einmal zu sein, da sie sich so fühle, beginnt, und endet vorerst mit einem ins Gesicht geschüttetem Getränk, das Christines Make-up und Frisur arg beutelt. |
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Dann Schnitt - und nun das Bemerkenswerte! Eine Freundin Christines kommt in die Toilette und findet folgende Situation vor: C. kauert wimmernd in der Ecke, halb unter, halb neben einem Waschbecken, während sie - wenn ich mich hier recht entsinne - von ihrem lesbischen Disput-Gegenüber mit einer Handtasche o. ä. traktiert wird. Dies nicht ohne viel Geschrei und Kampfgeächz. Gleichwohl der Furor der Lesbe hier nicht ganz nachvollziehbar ist, was einmal mehr das holprige Voranschreiten des grenzdebilen Plots dokumentiert, ist diese vielleicht eine passende Illustration zu jenem affirmativen Mechanismus, der dort einsetzt, wo Normendivergente wider Willen, also ,,unfreiwillig Subversive'' (wie hier bezüglich der sog. ,,Genderverwirrung'': Transsexuelle, Schwule und Lesben, vermeintlich ,,Perverse'' etc.), sich die Akzeptanz durch ebenjene Gesellschaft wünschen, die ihr Leiden, ihre Ausgrenzung und Stigmatisierung als Kranke (mensch beachte die verschiedensten Ansätze der Psychiatrieparadigmen ebensolche ,,Ungehörigkeiten'' |
mit dem Label der Krankheit zu versehen) erst möglich machte. Die gepeinigte Christine, die (so schien es mir zumindest beim Genuß des Filmes) so sehr der klassischen Frauenrolle entsprechen mag, daß sie - obwohl augenscheinlich groß und kräftig genug um sich einen ganzen Batzen Klokeile ersparen zu können - Prügel und Beschimpfungen getreu eben dieser Verhaltenserwartungen, die an eine Frau gerichtet noch heute virulent sind, über sich ergehen läßt. Der Gedanke mag sich aufdrängen, daß Chris gar jetzt noch dort kauern würde, wäre ihre tapfere Freundin nicht rechtzeitig aufgetaucht, um ihr beizustehen. Wahrhaft! Ich höre die kritische Stimme! Ja, dies ist keine Filmkritik, und der bisherige Fokus darauf soll nun hier beendet sein. Doch der extrahierte Gedanke, das Apolitische beispielsweise in großen Teilen der Gay-Szene (wenngleich natürlich auch die sog. Politikverdrossenheit ein politischer Standpunkt ist, denn: |
nichts ist gänzlich unpolitisch), das affirmative
Begehren in der Gesellschaft ,,aufzugehen'', sich
dort eine Nische zu schaffen, heiraten zu können,
,,in Ruhe gelassen zu werden'', ohne dabei jedoch
radikal eben diesen Geschlechtergrenzen
diskursiv zu begegnen, bleibt haften. Nicht,
daß der Wunsch, in unserem Lande ebendiese
Rechte in vollem Umfang genießen
zu können, wie Hetereosexuelle, unverständlich
wäre. Nur steht demgegenüber
beispielsweise die Kommerzialisierung
des CSD (Christopher Street Day) zu einer
schlichten Homo-Party im Love-Parade-Style,
wobei sich die StadtväterInnen
gar noch den Wimpel der Hipness, Weltoffenheit
und Toleranz anheften können,
während gleichzeitig die Ausgrenzung
und Vertreibung von Obdachlosen oder
ähnlich Prekärem aus dem Stadtzentrum
Kölns und auch anderswo unvermindert
fortgeführt wird. Sicherlich, zwei grundverschiedene
Schlachtfelder. Oder? |
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