[ Mark Seibert ]

Das Bündnis für Arbeit, bestehend aus VertreterInnen der Arbeitgeberverbände, des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) und der Bundesregierung ist eines der Lieblingsprojekte des Bundeskanzlers, der sich und seine Arbeit am Abbau der Jugendarbeitslosigkeit messen lassen will. Nach einem Jahr Bündnis für Arbeit mit Schröder und 2 Jahren Bündnis für Arbeit mit Kohl ist es an der Zeit, sich zu überlegen, was uns die Bündnisgespräche gebracht haben.

Die SPD versprach Schülerinnen und Schülern auf ihrem Jugend-Parteitag Anfang 1998, im Falle eines Regierungswechsels für genügend Ausbildungsstellen zu sorgen. Die Unternehmen sollen

len sich mit einem Modell der Umlagefinanzierung an den Kosten der Berufsausbildung beteiligen: ,,Wer nicht ausbildet muß zahlen'' und ,,Wer ausbildet, wird unterstützt''. Wer einen Anteil von 8-10% an Auszubildenden gemessen an den ArbeitnehmerInnen im Betreib nicht erreicht, sollte in einen Topf einzahlen, von dem die Unternehmen profitieren sollten, die über diese Quote hinaus ausbilden. Dies wäre vor allem den kleinen und mittelständischen Unternehmen zugute gekommen, die zur Zeit über 80% der Ausbildungsstellen der deutschen Wirtschaft anbieten. Die grösseren Unternehmen verabschiedeten sich bereits Anfang der ‚90er Jahre aus der Ausbildung und profitierten lieber von den ausgebildeten

Fachkräften aus den kleineren Unternehmen, die aber auch die Kosten zu tragen hatten.

Als vor einem Jahr der Regierungswechsel kam, erklärte Schröder, dass er sich eine Umlagefinanzierung nach der Beschlusslage der SPD nicht vorstellen könne, da er —nicht gegen die Wirtschaft arbeiteis. Warum haben wir dann nicht gleich Volkswagen oder Hoechst AG gewählt? Die derzeitige Krise des Ausbildungsstellenmarktes und auch des Arbeitsmarktes solle vielmehr durch ein neu aufgelegtes Bündnis für Arbeit angepackt werden.

Die Unternehmerverbände bekräftigten im Februar 1999 ihre Absicht, den durch eine hohe Anzahl von SchulabgängerInnen gewachsenen Bedarf an Ausbildungsstellen 1999 zu decken und darüber hinaus weitere 10.000 Stellen zu schaffen. Ein Überhang an freien Ausbildungsstellen ist dringend nötig, da es niemandem, der zum Beispiel in Gera Elektriker werden will, nutzt, wenn in St. Ingbert noch Ausbildungsstellen für Maurer frei sind.

Gleichzeitig legte die Bundesregierung ein Sofortprogramm zur Schaffung von Lehrstellen auf, welches in den Städten mit bunten Plakaten ,,JUMP - 100.000 Jobs für Junge'' warb. Im ersten Moment hielt ich das eher für eine Werbeaktion einer Zeitarbeitsfirma, die Ferienjobs zu vergeben hat. Das Sofortprogramm hat ein Volumen von 2 Milliarden Mark, 600 Millionen davon aus den Europäischen Sozialfonds (ESF).

Anfang Oktober legte die Bundesanstalt für Arbeit die neuen Arbeitsmarktzahlen vor, in denen auch über die Situation des Lehrstellenmarktes berichtet wird.







Demnach waren im September 1999 noch 29.400 Bewerberinnen und Bewerber unvermittelt. Die Bundesanstalt für Arbeit feierte diese Zahlen als deutlichen Rückgang im Vergleich zu den Vorjahren. Aber auch nur, weil seit 1991 jährlich neue Rekorde der Jugendarbeitslosigkeit vorgelegt werden konnten. Die Arbeitgeberverbände bejubelten sich selbst, sie wären ihrer ,,Gesellschaftlichen Verantwortung'' nachgekommen und hätten für eine qualititiv hochwertige Ausbildung der Jugendlichen ihren Beitrag geleistet. Das Bündnis für Arbeit jubelte, ,,Jeder, der kann und will, wird ausgebildet''.

Tatsächlich bescherte uns das Bündnis für Arbeit und das Lehrstellensofortprogramm eine Umlagefinanzierung. Bezahlt wird die Umlage allerdings mit 2 Milliarden DM von den SteuerzahlerInnen. Die betrieblichen Ausbildungsstellen gingen nämlich um 5.300 zurück, die Schaffung von 10.000 Lehrstellen über den rechnerischen Bedarf ist nicht in Sicht. Der Präsident der Bundesanstalt für Arbeit, Bernhard Jagoda, erklärte, dass der tatsächliche Rückgang der Jugendarbeitslosigkeit auf das Sofortprogramm zurückzuführen sei und 27.800 Jugendliche eine

ausserbetrieb-liche Lehrstelle gefunden hätten. Zusätzlich wurden 16.100 betriebliche Lehrstellen aus dem Sofortprogramm gefördert. Völlig ausser Acht gelassen sind in dieser Statistik die Jugendlichen, die eigentlich eine Ausbildung beginnen wollten, aber jetzt ,,Abitur aus Verzweiflung'' machen oder in irgendwelchen Parkmaßnahmen gelandet sind.

Perspektive für Jugendliche verspricht das Sofortprogramm zwar, gerecht wird es diesem Anspruch allerdings nicht. In Frankfurt am Main wurde zum Beispiel mit einem zweistelligen Millionenbetrag das Sofortprogramm (,,JUMP - Jugend mit Perspektive'') umgesetzt. Neue Lehrstellen wurden ganze 12 geschaffen. Ausserdem - und das ist tatsächlich positiv zu werten - gelang es, unbesetzte Ausbildungsstellen effizienter zu besetzen. Es wurden aber eben kaum neue

geschaffen. Der Rest der unversorgten Jugendlichen kam in ABM-Projekten unter. Viele pflegen jetzt die Grünanlagen und bekommen eine Schmalspurausbildung, die reine Beschäftigungsmassnahme, aber keine Perspektive ist. Wir brauchen eben keine 100.000 Jobs für Junge, sondern ordentliche Lehrstellen.

Die Arbeitgeber hatten im Bündnis für Arbeit also versprochen, genügend Ausbildungsstellen zu schaffen. Die Zahl der betrieblichen Lehrstellen ging aber um über 5000 zurück. Statt dessen bringen die SteuerzahlerInnen 2 Milliarden DM dafür auf, dass Jugendliche Hundescheiße im Park aufsammeln und dies als Ausbildungsperspektive verkauft wird. Diese Bilanz des Bündnisses für Arbeit ist exemplarisch. Es sind keine greifbaren Erfolge zu verzeichnen. Wir brauchen keine Schnittchen-Fresser-Runde mit leeren Versprechen und Selbstbeweihräucherung am Ende, sondern eine Umlagefinanzierung, die Lehrstellen erzwingt. Überhaupt stellt sich die Frage, ob das Bündnis für Arbeit nicht ohnehin eine sinnlose Veranstaltung ist. Die Bundesregierung zieht sich aus ihrer Verantwortung zurück, die politischen Impulse zu geben und umzusetzen. Statt dessen treffen sich, mehr oder weniger regelmässig, männliche Verbandsfunktionäre und erstellen Richtlinien für die Arbeitsmarktpolitik. Doch niemand im Bündnis für Arbeit hat die Legitimation dazu, Politik in diesem Stil zu machen. Das steht der gewählten Bundesregierung zu, die diese Aufgabe scheut, wie der Teufel das Weihwasser oder wie Westerwelle den Öffentlich Geförderten Beschäftigungssektor. Wenn das Bündnis für Arbeit wenigstens nur ergebnislos arbeiten würde, könnte man das noch verkraften, denn ein Mangel an Ergebnissen tut niemandem weh. Das Bündnis vermittelt den Menschen jedoch das Gefühl, dass etwas getan wird, dabei wird nichts getan. Jedenfalls nichts wesentlich anderes als vor dem Regierungswechsel.

Im Grunde wäre es nötig, wieder ein breit angelegtes Aktionsbündnis zu organisieren, welches der berechtigten Forderung nach der Umlagefinanzierung den nötigen Nachdruck verleiht. 1994 - 1998 wurde ein solchen Bündnis massgeblich vom DGB getragen, der sich im 50. Jahr seines Bestehens allerdings nicht aufraffen kann, sich ,,seiner'' SPD entgegenzustellen.