Arbeitgeberverbände. Aktuell versuchen sie, im Rahmen des ,,Bündnisses für Arbeit'' den Weg für neue kürzere Ausbildungsberufe mit niedrigen theoretischen Anforderungen zu ebnen. Sie gebären die ,,Fachkraft für Küchen- und Möbelservice'', den ,,Automatenkaufmann'', die ,,Servicefachkraft im Kurier-, Express- und Postverkehr'' oder auch den ,,Bodenleger''. Diese Berufe seien vor allem ein Angebot für ,,praktisch begabte'' Jugendliche (sprich Hauptschüler/innen), die im theoretischen Bereich weniger leistungsfähig sind. Die IG Metall erteilt solchen Konzepten zweitklassiger Ausbildung vor allem aus drei Gründen eine prinzipielle Absage:

BERUFSAUSBILDUNG SCHÜTZT VOR ARBEITSLOSIGKEIT: Die Schmalspurausbildung schafft keine zukunftsfähige Qualifikation: weder für die Jugendlichen noch für die Betriebe. Gerade die sich immer schneller verändernden technischen und organisatorischen Arbeitsbedingungen (z.B. elektronische Datenverarbeitung in nahezu allen Bereichen von Produktion und Verwaltung, Gruppenarbeit und zunehmende Eigenverantwortung) erfordern eine grundlegende Ausbildung. Kurzausbildungen, dies belegen alle Erfahrungen, sind oft schon nach wenigen Jahren überholt. Die dort vermittelte Qualifikation ist kaum noch oder gar nicht brauchbar. Das Risiko sogenannter ,,Fehlqualifikation'' ist damit außerordentlich hoch.

SCHMALSPURAUSBILDUNG SPALTET BELEGSCHAFTEN: Zweijährige theoriegeminderte Ausbildungsberufe und Stufenausbildungen schaffen keine zusätzlichen Ausbildungsplätze. Selbst in den nach wie vor vorhandenen zweijährigen Ausbildungsberufen sind die Ausbildungsplatzzahlen seit Jahren rückläufig. Die Schmalspurausbildung brachte lediglich eine Spaltung der Auszubildenden und Facharbeitern der ersten und zweiten Klasse hervor. Im geltenden Tarif und Sozialrecht sind Umfang und Dauer der Ausbildung eindeutige Hinweise auf das Qualifikationsniveau der Beschäftigten und damit auch Bewertungsgrundlage für die Eingruppierung und Festlegung des Facharbeiterstatus. In unserem Zusammenhang bedeutet das konkret: Die Ausbildungsqualität, damit in der Regel der Abschluß in einem anerkannten Ausbildungsberuf von mindestens dreijähriger Ausbildungsdauer, ist eine entscheidende Voraussetzung für den Zugang zu Arbeitsplätzen, an denen mehr verdient wird, vielseitigere und anspruchsvollere Anforderungen gestellt werden, weniger


belastende Arbeitsbedingungen vorherrschen, nach wie vor ein geringeres Entlassungsrisiko besteht.

Gefährdet wäre aber auch das tarifvertragliche Ziel der IG Metall, über die Sicherung von Einkommen, Eingruppierung und Qualifikation eine inhaltsreichere und vielfältigere menschliche Arbeit zu ermöglichen, die Qualifikationen fördert und die qualifikatorische Spaltung innerhalb der Belegschaften nicht vergrößert, sondern ihr entgegenwirkt.

FÖRDERN STATT AUSLESEN: Die Annahme, vorwiegend praxisbezogene, engspezialisierte Kurzausbildung sei ein geeignetes Förderinstrument für bildungs- und sozialbenachteiligte Gruppen von Jugendlichen, ist ein Widerspruch in sich selbst. Durch perspektivlose Schmalspurausbildungen werden vielmehr vorhandene Benachteiligungen von Jugendlichen – sei es aufgrund von sozialen Beeinträchtigungen, von niedrigen Schulabschlüssen, Geschlecht oder der Zugehörigkeit zu einer anderen Nationalität – verschärft. Da benachteiligte Jugendliche eine ,,Risikogruppe'' auf dem Ausbildungs- und Arbeitsmarkt sind, ist gerade für die der Erwerb einer qualifizierten, anerkannten Ausbildung eine der wichtigsten Voraussetzungen zur Risikominderung. Hier darf keinesfalls die Fiktion aufgebaut werden, dass die beruflichen Perspektiven bildungsbenachteiligter Jugendlicher durch zweitklassige Ausbildungsgänge gesichert werden könnten. Viel wahrscheinlicher ist hingegen, dass bei einem verbreiterten Angebot von theoriegeminderter Ausbildung die Bemühungen und Förderansätze eingeschränkt würden, nach denen auch benachteiligte Jugendliche eine volle Qualifikation nach den geltenden Standards des Berufsbildungsgesetzes ermöglicht werden kann.


DEREGULIERUNG ALS KRISENVERSCHÄRFUNG. Ob der erneute Vorstoß der Arbeitgeberverbände in erster Linie auf Kostensenkung und Verbilligung betrieblicher Ausbildung zielt und/oder ob die
Arbeitgeber hier den endgültigen Abschied von dem für das deutsche Ausbildungssystem maßgebliche Berufskonzept – und damit vom dualen System beruflicher Bildung – vorbereiten, soll an dieser Stelle unbeantwortet bleiben. Aus Sicht der IG Metall beinhaltet die Forderung nach Veränderung des dualen Ausbildungssystems die Gefahr einer Abwertung der Berufsausbildung gegenüber bisherigen Ausbildungsstandards. Reale Politik, Entwicklungen wie die Kürzung des Berufsschulunterrichts und das verstärkte Bemühen der Arbeitgeber um Kurzausbildungsberufe tragen eindeutig zu dieser Abwertung bei.

Die Deregulierung und Entberuflichung stellen keine Lösung der Krise des Berufsausbildungssystems dar, sondern sie steigern im Gegenteil die Attraktivitätsprobleme der Berufsausbildung. Das duale
Ausbildungssystem wird aus Sicht der Jugendlichen immer mehr zur zweitbesten Lösung – was durchaus kein Widerspruch zu der Tatsache ist, daß das vorhandene Angebot an betrieblicher Ausbildung immer stärker hinter der Nachfrage zurückbleibt. Für ein quantitativ und qualitativ verbessertes Ausbildungsangebot und eine gerechte Verteilung der Ausbildungskosten muß eine gesetzliche Umlagefinanzierung geschaffen werden. Wer nicht ausbildet, muß zahlen.









IG Metall Jugend

[11] DIE WARE.
<< Inhalt

     Seite 11 als PDF (30 KB)

<< Seite 10
Seite 12 >>