>> Bildungsfinanzierung

DIE WARE: Wir fangen mal gleich ganz direkt an: Ab wann rechnest Du mit der Einführung regulärer Studien- gebühren an den bundesdeutschen Universitäten?

PIA MAIER: Ich würde in allen Ländern, die nicht jetzt schon angefangen haben, damit rechnen, dass nach der nächsten Landtags- wahl Gebühren für sogenannte Langzeitstudierende eingeführt werden. Bis Gebühren vom ersten Semester an eingeführt sind, dürfte es noch acht bis 10 Jahre dauern.

DIE WARE: Die neoliberalen Umstrukturierungen, vor denen linke HochschulaktivistInnen seit Jahren warnen, werden momentan an den deutschen Universitäten Schritt für Schritt durchgesetzt. Wie kann und soll nach Ansicht der PDS verhindert werden, das die akademische Bildung über kurz oder lang voll- ständig dem kategorischen Imperativ der ,,Wettbewerbsfähigkeit'' und Standortsicherung unterworfen wird?

PIA MAIER: Die PDS versucht klar zu stellen, welchen Wert Bildung an sich hat, und dass sie nicht nur an Arbeitsmarkt und Standortinteressen ausgerichtet sein darf. Bildung lässt sich halt nicht in guten Noten und Leistung pro Zeit erfassen. Wir plädieren immer dafür, dass die Hochschulen angemessen aus- gestattet werden, um für die aktuelle Zahl der Studierenden auch aus- finanzierte Studienplätzen zu haben. Nur mit dieser staatlichen Zu- sicherung können sich Hochschulen und WissenschaftlterInnen gegen die inhaltliche Einflussnahme der Wirtschaft wehren.

DIE WARE: Welche konkreten Forderungen und Konzepte habt Ihr als PDS-Bundestagsfraktion dazu in die parlamentarischen Debatten eingebracht und welche sind noch zu erwarten? Wie reagieren B'90/ DIE GRÜNEN oder die SPD auf Eure Vorschläge, gibt es so etwas wie gemeinsame linke Reform- alternativen?

PIA MAIER: In dieser Legislatur haben wir vor allem einen Antrag eingebracht, der das Verbot von Studiengebühren im Hochschulrahmengesetz festschreiben wollte. Der wurde auch von rot-grün abgelehnt, man wolle das lieber mit den Ländern regeln - obwohl der Staatsvertrag gerade geplatzt war.


Gemeinsamkeiten, wie zum Beispiel für das Politische Mandat zu sein, gibt es verbal durchaus, aber von den Regierungsparteien keinen Willen, das auch durchzusetzen. Gemein- samkeiten für linke Reform- alternativen haben wir vor allem mit den Hochschulgruppen.

DIE WARE: Es gab ja in den letzten Monaten erhebliche Aktivitäten engagierter StudentInnen, ich denke da vor allem an das bundesweite Aktionsbündnis gegen Studien- gebühren (ABS). Dennoch lässt sich kaum verleugnen, daß an den Unis zur Zeit eher hochschulpolitische Flaute herrscht. Woran liegt das Deiner Meinung nach?

PIA MAIER: Das hat viele Gründe. Viele haben die Leistungsgesellschaft ,,geschluckt'', sehen zu, dass sie ihre Privilegien nutzen und wollen von solidarischen Aktionen nichts wissen. An solche Studierende kommen wir auch nicht mehr heran. Wichtiger ist, dass viele heute nicht mehr daran glauben, dass Politik Einfluss nehmen kann, dass Streiks an Hochschulen etwas bewirken können. Die Argumentation der Sachzwänge hat sie völlig überzeugt.

>> Demokratie in der Hochschule

DIE WARE: Aber nicht alles ändert sich in den Unis. In den Gremien und Organen der Hochschulen, die ja auch maßgeblich an der Ent- scheidung wichtiger inneruniversitärer Struktur- und Finanzfragen beteiligt sind, ist für die ProfessorInnen nach wie vor eine strukturelle Mehrheit (50 Prozent plus eins) der Sitze reserviert. Demokratisch kann man solche Verhältnisse ja nicht gerade nennen. Was sagt die PDS zu diesen Problemen?

PIA MAIER: Das ist das Kernproblem. Nur eine demokratische Hochschule ist dieser Gesellschaft angemessen und kann die Energie aufbringen, sich selbst immer zu reformieren. Die Bundestagsfraktion hat dazu bereits Anträge gestellt, neu ist ein Antrag zur Personal- und Dienstrechtsreform, der die Abhängigkeit von den Professoren verringern, dem Mittelbau mehr Rechte und Freiheiten geben soll - auch das gehört zu einer demokratischen Hochschulreform.

>> Politisches Mandat

DIE WARE: Kommen wir zu einem Thema, daß in den letzten Monaten wieder etwas in den Hintergrund getreten ist: Der Streit um das Politische Mandat für Studierenden- vertretungen. Was ist unter dem Politischen Mandat eigentlich zu verstehen?


PIA MAIER: Es beruht darauf, dass Gerichte davon ausgehen, dass sich ASten nur spezifisch hochschul- politisch äußern dürfen. Wenn die Gerichte die Hochschulgesetze so interpretieren, muss man dort also ausdrücklich sagen, dass die ASten, als gewählte Vertretung der Studie- renden, sich ausdrücklich zu allen politischen Problemen äußern dürfen.

DIE WARE: Die Isolierung der Abläufe in der eigenen Hochschule von den allgemeinen gesellschaftspolitischen Verhältnissen und Entwicklungen scheint ja absurd zu sein. Welches Interesse haben denn Leute, die ASTen (Studierendenvertretungen) wegen deren allgemein-politischer Aktivitäten oder Äußerungen anzeigen?

PIA MAIER: Sie haben das Interesse linke ASten an ihrer Politik zu hindern. Denn es ist nun mal spezifisch für linke Politik, dass die Ressorts nicht einzeln betrachtet werden, sondern die politischen Zusammenhänge dargestellt werden, die gesell- schaftlichen Verhältnisse in den Blick genommen werden.

>> Persönliches

DIE WARE: Was hast Du eigentlich studiert, und wäre dieses Studium möglich gewesen, wenn Du Studiengebühren - sagen wir einmal 1.000 DM pro Semester - hättest berappen müssen? Und warst Du während Deines Studium irgendwie politisch aktiv an Deiner Uni?

PIA MAIER: Ich habe Politikwissenschaft im Hauptfach, Geschichte und Kunstgeschichte studiert und bin von meinen Eltern finanziert worden, was ich mit Jobs aufgebessert habe - für 2.000 Mark mehr wäre es knapp geworden. Ich hätte wahrscheinlich nicht an- gefangen zu studieren, weil die Belastung als zu groß erschienen wäre.

Ich war von Anfang an in der Fach- schaft und in verschiedenen Initiativen aktiv. Ich habe bestimmt zwei Semester damit verbracht, in den freien Stunden Kaffee zu kochen im Rahmen einer Initiative, die sich für ein ordentliches Café in der Uni eingesetzt hat, damit man nicht mehr auf die Automaten angewiesen war. Wir sind damit auch recht weit gekommen. Drei Jahre lang war ich dann AStA-Vorsitzende.

DIE WARE: Wir danken für dieses Gespräch.

[ Das Gespräch führte Jens Prietzel. ]


[13] DIE WARE.
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