
Lafontaine, und dort soll nachgeholt werden, was auf der Insel längst Realität wurde.
Der Abschied von einer großen linken Volkspartei. Nur eine Volkspartei soll es bleiben
und eben deshalb kommt es auf die Integration der alten sozialdemokratischen Werte an.
Sie sollen lediglich neu übersetzt werden. Von daher bleibt es für die
demokratisch-sozialistische Linke eine strategische Frage, ob sie ein Angebot an die
Nachfragetheoretiker der SPD eröffnet, ob sie das Konzept vertritt dass die Sozialdemokratie
freigibt, oder ob sie versucht Demokratischen Sozialismus im Wandel der Zeit zu denken.
Die Veränderungen, die das neoliberale Zeitalter, die Verfestigung der Massenarbeitslosigkeit
und den Wandel der Sozialdemokratie einläuteten, waren natürlich kein Naturgesetz.
NEUE ZWÄNGE. Die Ohnmacht des Politischen gegenüber den Interessen der großen Konzerne,
die Macht der großen Wirtschaft über Politik und Wirtschaft, die Art und Weise wie
Globalisierung hierzulande gedacht und gestaltet wird, hat erst eine entsprechende
Politik selbst ermöglicht. Der vermeintliche und tatsächliche Standortwettbewerb hat
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STRUKTURWANDEL. Die Krise der Arbeit hat mehrere Ursachen. Die breitere Teilhabe
an Produktion und Konsum, die Ausweitung des Wohlfahrtstaats hat natürlich auch zu einem
Wachstum der technischen Intelligenz, zu neuen Entwicklungsschüben geführt, die permanente
Rationalisierung ließe sich durch eine Umverteilung von Arbeit und Einkommen produktiv
machen. Auch eine stärker nachfrageorientierte Politik würde hier Freiräume eröffnen.
Aber was wir seit den 1970ern vor allem erleben, ist eine Kapitalisierung der
Exportwirtschaft. Wo Überproduktion früher zu Konkursen und Neuordnungen führte,
überschüssiges Kapital vernichtet wurde und auf die Krise die reinigende Wirkung folgte,
hat die Deregulierung der internationalen Finanzwelt nach Bretton Woods dazu geführt,
dass Kapital in die Sphäre der Finanzwirtschaft entweichen kann. Wenn auch die Börse noch
auf ,,reale Wirtschaft'' angewiesen ist, so stagniert doch das reale Wachstum, weil es zum
einem in der Finanzsphäre lukrativer ist Kapital anzulegen, und zum anderen die klassischen
Märkte nach der Ära der Massen-konsumption auch relativ ausgereizt sind.
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ZUR ZUKUNFT DER ARBEIT. Die Arbeitswelt verändert sich. ArbeitnehmerInnen werden
zu UnternehmerInnen ihrer eigenen Arbeitskraft, bis weit hinein in die öffentlichen
Sektoren. Sie verkaufen immer noch ihre Arbeitskraft als WARE. Aber sie werden vernetzt
mit dem Nachfrager, dem Kunden. Niemand fragt mehr nach ihrer Arbeitszeit, alte Hierachien
in Betrieben werden ersetzt durch die Macht des Faktischen. Wer sich nicht anständig
verkauft, den schluckt der Markt. Aber trotz des gewaltigen Streß und der gnadenlosen
Konkurrenz werden auch neue Freiheiten empfunden. Es ist daher wenig hilfreich nach
Dingen zu rufen, die nicht mehr der Realität und den Bedürfnissen der Menschen entsprechen.
Deswegen scheint es fraglich, warum ein Gregor Gysi sich bei der Debatte um die Moderne,
so auf die wohlfahrtstaatliche Ära und die alte Sozialdemokratie stützt. Natürlich ging
es ihm um Strategien. Doch es gibt echte Veränderungen. Für engagierte linke Projekte
gibt es nur Freiräume, wenn wir die Produktivität der Gegenwart nutzen lernen. Warum
deficit spending und Staatsverschuldung, wenn die Reichtümer groß genug sind. Eine
stärkere Umverteilung
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zwar die Räume beschnitten in denen Politik souverän agieren kann, mit der
Internationalisierung der Märkte schwindet auch der Zugriff nationalstaatlicher
Regulation. Aber die entsprechenden Möglichkeiten sind weitaus größer als die
Bescheidenheit der neuen politischen Eliten verheißt.
NEUE CHANCEN. Gerade weil die Krise der Gegenwart, der Wettlauf nach unten,
die internationalen Bedingungen angleicht wäre es längst möglich, politische Maßnahmen
bspw. im Zuge der europäischen Einigung abzustimmen. Ein Wettlauf der gemeinsam
verabredet wurde, dem kann man auch neue Regeln geben. Was in Konzernetagen längst
eine Selbstverständlichkeit ist, scheint der Politik nur möglich, wenn es – siehe MAI
(Multilateral Agreement of Investitions) – um die weitere Deregulierung geht. Die
Politik bewegt sich also doch, und zwar je nachdem, wer sie treibt. Es ist keine
Frage der Technick, sondern eine Frage der Macht.
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KONKRETE UTOPIE STATT BLOSSER ABWEHRKAMPF. Deshalb scheint es fraglich, ob es
genügt, nur nach neuen Formen der Regulation zu rufen, das tun auch ein Anthony Giddens.
Mit der Sättigung der klassischen Märkte hat also keinesfalls das Wachstum von Reichtum,
die Wertschöpfung aufgehört zu existieren. Es ist eine Zukunftsfrage, ob wir diesen neuen
Reichtum nutzen, um kulturelle und soziale Bedürfnisse zu befriedigen, um neue Arbeit zu
ermöglichen, ohne in Ihr alles zu sehen. Den Alltag der Menschen abzusichern, Flexibilität
zu erleichtern, indem wir das Niveau sozialer Sicherung erhöhen. Es gibt neue Sphären
zwischen Markt und Staat, neue Gesellschaftsverträge. Sie ersetzen teilweise ohne
Legitimation die Politik, aber die Menschen haben sie geschaffen. Nur dies alles
bedeutet die Abkehr von reinen Abwehrkämpfen. Die Linke braucht wieder neue Entwürfe,
sie muß utopischer werden, erotischer, aber auch konkreter.
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wäre die Antwort. Es gibt viele Facetten, wie sich die neue Linke auch neu artikulieren
kann. Sie braucht dabei konkrete Angebote und keine esoterischen Debatten um Dritte Wege
oder Neue Mitten. Aber sie braucht neue Wege.
RESÜMÉ: Wäre ich der PR-Berater, würde ich antworten: Die Definition von Links
rührt aus der Sitzordnung im französischen Revolutionsparlament, die fortschrittlichen, die
treibenden Geister, saßen links. Links zu sitzen ist kein Selbstzweck. Die Linke muß treiben,
den Anspruch haben, Visionen zu realisieren, Gesellschaft zu gestalten. Und eine Linke
die nicht gesellschaftlich ist, ist nicht. Insofern: Ja, die Linke braucht eine neue
Performance.
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