Unsere Welt ist ein neuer Markt. Und regiert wird sie von guten Performern. Denn von der Wirtschaft lernen heißt siegen lernen. – Wäre ich der creative director einer PR-Agentur und mein Kunde Gerhard Schröder, im Nebenjob Bundeskanzler und Vorsitzender der sozialdemokratischen Partei neuen Typs, wären das meine ersten Sätze um das Produkt „Schröder“ einzuführen. Denn was haben die Marke Schröder, Neue Mitten und Dritte Wege mit Neuen Märkten gemeinsam? Die Halbwertszeit.

EIN RÜCKBLICK. 1998: In Deutschland tobt der Wahlkampf. Die Torys auf der Insel wurden zuvor von Tony Blair hinweggefegt, Antony Giddens schreibt von Dritten Wegen zwischen Raubtierkapitalismus und Planwirtschaft. Und das ganze 16 Jahre nach neoliberaler Regentschaft, ein halbes Jahrzehnt nach dem Exodus der realsozialistischen Mutterrepubliken. Auch Gregor Gysi, der wohl populärste Performer der bundesrepublikanischen New Left, schreibt von Dritten Wegen, allerdings schon 1990. Die Neue Mitte, das sind wir. Bildungsbürger, Mittelstandsfamilien im Italienurlaub.


,,NEUE LINKE''. Was bedeutet das für die „Neue Linke“? Und wer geht den Dritten Weg? Zunächst muß man sich dabei fragen, was das Konzept der neuen sozialdemokratischen Politik ist. Ist es schlicht die Fortsetzung des Alten? Ist es neoliberale Politik im Gewand der Arbeiterwohlfahrt?

Die wohl für den Alltag der Menschen, die Politik der Gegenwart, einschneidenste Veränderung hat mit dem stattgefunden, was Soziologen das ,,Verschwinden der Arbeit'' nennen. Nichts kundet stärker vom tiefen Einschnitt in das sozialdemokratische Selbstverständnis als das ständige Vorhandensein von Massenarbeitslosigkeit, das Sterben der wohlfahrtsstaatlichen Institutionen. Es gab in der Sozialdemokratie, der deutschen wie der angelsächsischen, bisher zwei Methoden, diesen Wandel zu moderieren. Die einen, repräsentiert in den ehemaligen und aktuellen Aushängeschildern der sozialdemokratischen Linken wie Lafontaine oder Ken Livingstone, halten an den klassischen Werten der wohlfahrtsstaatlichen Ära fest. Ihre ganze politische Wahrheit scheint mit dem Konzept der keynsianischen


niemals daran teilhaben werden. Und beide haben keine ausreichende Antwort auf die große Krise der Arbeit, kein Konzept für eine soziale Moderne.

DIE NEUE MITTE. Das Konzept der Neuen Mitte weiß aber bei aller Unzulänglichkeit um die Bedeutung der Teilhabe. Das neoliberale Zeitalter hat auch wichtige Ressourcen der Wirtschaft zerstört. Es gab in der Bevölkerung keinen ausreichenden Rückhalt mehr für das Verlustgeschäft zugunsten weniger. Auch das war ein Bild der Wahlkämpfe 1998. Aber es ist auch kein Zufall das Humankapital ein ständiges Vokabular von Giddens, Blair und Schröder war. Die totale Deregulierung aller Lebensbereiche entsprach nicht immer den Erfordernissen der Märkte.

Für die neue Linke scheint dies auf den ersten Blick wenig Unterschied zu machen. Doch es gibt ihn, den Unterschied. Die Neue Mitte war ein Begriff der auf eine Bevölkerungsgruppe, auf eine Wählerschicht abgestimmt wurde, er war nicht minder ideologisch. Und er hat seine Aufgabe mit der








UND DER DRITTE WEG? Aus der Debatte der ,,Neuen Linken'' ist er vorerst verschwunden. Nach der zeitweise erbärmlichen Darbietung der rot-grünen Bundesregierung, dem Schröder-Blair Papier und Oskar in die Tonne, sprach auch in der Mitte niemand mehr darüber. In der Partei des Demokratischen Sozialismus tobt auch ein Kampf. Um die Moderne. Brauchen wir diese Diskurse, sind sie nur zeitraubende PR-Strategie oder liegen Ihnen wirkliche Veränderungen zu Grunde?

Zeitgeistdebatten so abstrakt sie sind, scheinen oft eine Reaktion auf ein bestimmtes Phänomen zu sein. In der Werbung ist das anders. Auch mit der Politik Gerhard Schröders. Die Schlacht um die neue Mitte, längst Vergangenheit, hat vieles von dem was sie vorgab, zu beschreiben, erst selbst geschaffen. Dennoch, die Strategie der Neuen Mitte wäre nicht aufgegangen, hätte es für sie keinen Adressaten gegeben. Die bundesrepublikanische Gesellschaft hat sich verändert.


Nachfragetheorie zu stehen und zu fallen. Die anderen predigen den Kniefall vor der schönen neuen Welt der Finanzaktiva, sozialdemokratische Strategie ist für sie nicht mehr der soziale Fortschritt, sondern die Flexibilisierung der Gesellschaft derart zu gestalten, das eine soziale Teilhabe zumindest für Teile der Gesellschaft möglich und sozialer Frieden damit gewährleistet wird.

ZWILLINGSBRÜDER. Gemeinsam ist Ihnen die Arbeit mit Bildern, die wenig mit den Ursachen der Veränderung gemein haben, und mehr zwei Konzepte sozialdemokratischen Lebensgefühls beschreiben: Die einen zeichnen ein Bild sozialer Romantik des Industriezeitalters, die anderen eines Disneyland aus New Economy, jungen Menschen im Börsenfieber und progressiven Lebensentwürfen. Beide haben ein Handicap. Die einen haben im Wettlauf der Bilder das Nachsehen, weil diese soziale Romantik wenig mit der Gegenwart zu tun hat, die anderen verkennen die Desillusionierung breiter Teile dieser Gesellschaft, die diese Bilder nur konsumieren, aber


Bundestagswahl 1998 erfüllt. Eine Politik die sich nur der Abgrenzung von links und rechts begnügt, die meint es gäbe keine linke oder rechte, sondern nur richtige oder falsche Wirtschaftspolitik, ist eine Ideologie. Aber eine sehr flexible.

DER DRITTE WEG. Der Dritte Weg allerdings, so wie ihn die vermeintlichen Modernisierer der Sozialdemokratie beanspruchen, hat ein Konzept. Es hat sehr verschiedene Spielarten, ob die US-amerikanische Version des deficite spending, nachfragegestützte Verschuldung von Privathaushalten zugunsten des Wirtschaftswachstums, ob niederländische Teilzeitmodelle, oder deutscher Angebots- und Nachfragemix. Es geht um neue Regularien, neue sozialstaatliche Kompromisse, wenn auch auf niedrigem Niveau.

WANDEL DER SOZIALDEMOKRATIE. Die angelsächsische Sozialdemokratie wurde deformiert und dann kam Blair, die deutsche Sozialdemokratie gab es nur im Tandem mit

[22] DIE WARE.
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