Der Personalumfang der Bundeswehr soll künftig 277.000 Soldaten umfassen. Etwa 90.000 Wehrpflichtige sollen jährlich zum Wehrdienst einberufen werden. Lediglich 50.000 Dienstposten sind für normale Grund-wehrdienstleistende vorgesehen, die einen flexiblen neunmonatigen Grundwehrdienst zu leisten haben. Wahlweise können sie diesen Dienst in einem Stück leisten oder 6 Monate plus zwei spätere Wehrübungen von je sechswöchiger Dauer.

Da die durchschnittliche Jahrgangsstärke bei 430.000 liegt, kann die Bundeswehr nur etwa jeden sechsten auch tatsächlich einberufen. Die Ableistung des Wehrdienstes wird offiziell zur Ausnahme. Die Wehrgerechtigkeit, so die Annahme des Kriegsministeriums, kann dann nur gewahrt bleiben, wenn mindestens 40 % eines ungemusterten Jahrganges den Kriegsdienst verweigern und Zivildienst leisten. Dies würde gegenüber der derzeitigen KDV-Quote eine nochmalige deutliche Steigerung von Kriegsdienstverweigerern erfordern. Zukünftig müsste jeder zweite tauglich Gemusterte den Kriegsdienst verweigern. Die Verweigerer werden zum Garanten der Wehrgerechtigkeit und damit zur Stütze der Wehrpflicht. Würde die KDV-Quote beim


derzeitigen Stand verbleiben, könnten Zehntausende Wehrpflichtige nicht zur Bundeswehr einberufen werden und die Wehrungerechtigkeit würde offensichtlich. (2)

Die Abschaffung der Wehrpflicht von unten, durch entsprechendes Verhalten der betroffenen Wehrpflichtigen, ist greifbar nahe gerückt. Jeder Wehrpflichtige müsste erst nach Erhalt einer Einberufung zur Bundeswehr den Antrag auf Kriegsdienstverweigerung stellen. Die Anzahl der Plätze würde dann bei weitem nicht ausreichen, um jeden der zumindest theoretisch zur Verfügung stehenden Wehrpflichtigen auch tatsächlich zur Bundeswehr einberufen zu können. Das System der allgemeinen Wehrpflicht wird verfassungswidrig und praktisch lahmgelegt.

Die Abschaffung der Wehrpflicht muss aber nicht nur deshalb erfolgen, um jedes Jahr 430.000 jungen Männern die demokratiefeindliche Norm der Zwangsdienste zu ersparen. Sie ist auch deshalb zu fordern, um die Kriegsführungsfähigkeit einzuschränken. Die Bundeswehr koppelt ihre Interventionskapazität mit der Wehrpflicht. Sie könnte innerhalb kurzer Zeit ihren personellen Umfang durch die Einberufung ausgebildeter


Reservisten mehr als verdoppeln. Und rechtlich, darauf verweist das Kriegsministerium, spricht nichts gegen den Einsatz von Wehrpflichtigen außerhalb der ,,Landes- oder Bündnisverteidigung'' – auch gegen ihren Willen.


(1) Der Bundesminister der Verteidigung: Die Bundeswehr – sicher ins 21. Jahrhundert. Eckpfeiler für eine Erneuerung von Grund auf. >> www.bundeswehr.de

(2) Die Wehrgerechtigkeit ist von verfassungsrechtlicher Bedeutung. Das Bundesverfassungsgericht hat in einer Entscheidung vom 13. April 1978 betont: ,,Die allgemeine Wehrpflicht ist Ausdruck des allgemeinen Gleichheitsgedanken. Ihre Durchführung steht unter der Herrschaft des Art. 3 Abs. 1 GG.'' Alle im Rahmen der Wehrpflicht zur Verfügung Stehenden müssen also auch zu einem Dienst herangezogen werden. Wird ein relevanter Anteil nicht zum Zwangsdienst einberufen, verliert die Praxis der Wehrpflicht ihren Anspruch auf Allgemeinheit und wird verfassungswidrig.

[19] DIE WARE.
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